|   Leitartikel

Keine Angst vor dem eigenen Mut

von Klaus Koch

Die Welt staunt: Die Deutschen haben ihr Talent zum Organisieren verloren. Das hat schon beim Beschaffen von Masken angefangen. Dann wurden die Vorbereitungen auf die zweite Corona-Welle durch Luftfilter, Schnelltests oder kluge Strategien für Altenheime, Schulen oder Geschäfte über Sommer verschlafen. Auch das Impfen läuft nicht rund. Viele Menschen über 80 Jahre erhalten keinen Termin, sondern die flehentliche Bitte, sich nicht ein zweites Mal anzumelden, weil das das Chaos noch vergrößern würde.

Schuld an dieser Misere ist vermutlich eine andere Grundhaltung, die man uns Deutschen nachsagt: die „German Angst“. Diese Angst beschreibt neben allgemeinem Pessimismus auch eine grundsätzliche Zögerlichkeit im Handeln, da ja alle möglichen Folgen bedacht werden müssen. So wird über Haftungsfragen und Kosten nachgedacht, während andere schon in großem Stil Impfstoff kaufen. Es wird über die Wirksamkeit von Masken gestritten, anstatt die Dinger anzuschaffen. Und Schnelltests werden abgelehnt, weil sie Teststatistiken verfälschen könnten.

Dass es auch anders geht, zeigen Städte wie Tübingen oder Rostock. Dort wird frohen Mutes ausprobiert. Und wenn etwas falsch war, wird es geändert. Ohne die Angst, eine ominöse Lobbygruppe wie der Steuerzahlerbund könnte auftauchen und von Geldverschwendung reden. Um gegen das Virus und seine Nachfolger, die sicher kommen, zu bestehen, brauchen wir neben Solidarität und guter Medizin auch Mut und Kreativität. Die Gesellschaft muss lernen, nicht nur Risiken zu vermeiden, sondern sie zu managen. Das riet schon ein biblischer Autor dem Timotheus: Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.

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Klaus Koch
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