Im kommenden Jahrzehnt soll die Zahl der Pfarrerinnen und Pfarrer in der Landeskirche wegen schrumpfender Mitgliederzahlen und zurückgehender Einnahmen um knapp ein Drittel sinken. Das geht aus dem Bericht über das geistliche Personal hervor, den Oberkirchenrätin Marianne Wagner der Landessynode vorgelegt hat. Diese Entwicklung werde dazu führen, dass sich die Kirche verändere, sagte Wagner. Der Weg müsse von einer Versorgungskirche, bei der Pfarrerinnen und Pfarrer für alles verantwortlich seien, hin zu einer Beteiligungskirche mit vielen engagierten Menschen führen.
Im März 2022 haben 509 Pfarrerinnen und Pfarrer im Dienst der Landeskirche gestanden. Das seien 24 Köpfe weniger, als vor fünf Jahren prognostiziert, sagte Wagner. Das liege vor allem daran, dass mehr Pfarrerinnen und Pfarrer vorzeitig in den Ruhestand gegangen seien, als prognostiziert. Den Berechnungen zufolge werden in den Jahren 2033 und 2034 rund 325 Pfarrerinnen und Pfarrer im Dienst der Landeskirche stehen. Diese Zahl soll in den dann folgenden Jahren konstant bleiben.
Große Sorgen macht der Personaldezernentin die Mitgliederentwicklung. Die Landeskirche rechne bis zum Jahr 2035 mit einem jährlichen Rückgang von 2,5 Prozent. 2030 hätte die Landeskirche dann noch 374000 Mitglieder im Vergleich zu derzeit etwa 458000. Die Kirche dürfe sich von Zahlen und Prognosen aber nicht total bange machen lassen, sagte Wagner dem KIRCHENBOTEN. Die biblischen Texte zeigten, dass es gerade die schwierigen Zeiten gewesen seien, in denen Gott seine Menschen auf neue Wege geführt habe. Die Oberkirchenrätin warnte davor, Konzepte und Entscheidungen mit Erwartungen zu überfrachten, die nicht erfüllt werden könnten. „Wir sind es nicht, die diese Kirche retten werden“, sagte Wagner. Es sei immer Jesus Christus, der seine Kirche führe und sie auch erhalten werde, wenn es seinem Willen entspreche.
Um mit weniger Pfarrern trotzdem vor Ort präsent zu bleiben, hat die Landessynode einer Verfassungsänderung zugestimmt, wonach mehrere bisher selbstständige Pfarrstellen zu einem gemeinsam verwalteten Pfarramt zusammengefasst werden können. Durch die Zusammenarbeit mehrerer Pfarrerinnen und Pfarrer könne sich das geistliche Personal auf Schwerpunkte konzentrieren und so die Qualität kirchlicher Arbeit verbessern, sagte Wagner. Zudem sollen zielgruppenorientierte Angebote die Attraktivität der Arbeit erhöhen. Die Arbeitsteilung in den gemeinsam verwalteten Pfarrämtern schaffe darüber hinaus Synergieeffekte. epd
Die Diakonie vor Ort erfahrbar machen
Synode wählt den Speyerer Dekan Markus Jäckle zum Nachfolger von Manfred Sutter als Oberkirchenrat
Der Speyerer Dekan Markus Jäckle wird neuer Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche der Pfalz. Die Landessynode wählte den 56-Jährigen mit 48 von 54 Stimmen bei fünf Enthaltungen und einer Nein-Stimme. Jäckle tritt die Nachfolge von Manfred Sutter an, der zum Jahresende in Ruhestand geht.
Als geistlicher Oberkirchenrat wolle er daran mitwirken, die Rahmenbedingungen in der Landeskirche so zu gestalten, dass übergeordnete Strukturen und die Arbeit vor Ort ineinandergreifen, sagte Jäckle. Dabei müssten die Theologie und der Auftrag zur Verkündigung die Strukturen und die Verwaltung bestimmen und nicht umgekehrt. „Es ist mir ein Anliegen, Kirche so zu gestalten, dass Einheit und Vielfalt einander stärken und Menschen sich eingeladen fühlen, zu kommen und zu sehen, was Kirche zu bieten hat“, sagte Jäckle. Die Frage, wie die Kirche von morgen aussehen solle, dürften nicht nur die Haupt- und Ehrenamtlichen in der Kirche beantworten, sagte Jäckle. Allen Menschen, auch denen, die nicht oder nicht mehr in der Kirche seien, müsse die Frage gestellt werden, was der Protestantismus in der heutigen Zeit an Glaubensüberzeugungen, tragenden Wertmaßstäben und wirksamen Hilfeleistungen für Menschen in die Gesellschaft einbringen könne.
Schwerpunkte des Dezernats, für das Markus Jäckle ab 2023 zuständig sein wird, sind Diakonie, Kindertagesstätten, Kirchenmusik und Gottesdienste. Diakonie gehöre zu den Kernaufgaben von Kirche, sagte Jäckle. Im Zuge der Professionalisierung der Diakonie und ihrer Dienste hätten sich Kirchengemeinden und Diakonie jedoch manchmal auseinanderentwickelt. Er halte es für dringend notwendig, Diakonie und Kirchengemeinde über die Gemeinwesendiakonie wieder zusammenzubringen und diakonisches Handeln vor Ort für die Menschen im Dorf, im Quartier oder in der Region sichtbar und erfahrbar werden zu lassen.
Markus Jäckle ist in Aalen in Baden-Württemberg geboren und in Konstanz und Stuttgart-Bad Cannstatt in einem Pfarrhaushalt aufgewachsen. Parallel zum Theologiestudium hat er eine Gesangsausbildung absolviert und einige Jahre als freischaffender Sänger gearbeitet. Ab 2003 hat Jäckle sein Vikariat in der Kirchengemeinde Schwegenheim absolviert. 2006 trat er seine erste Pfarrstelle in Ebertsheim an. Seit 2013 ist er Dekan des Kirchenbezirks Speyer. Der Theologe war bereits 2021 im Gespräch, als die Nachfolge für Kirchenpräsident Christian Schad anstand. koc
Wüst fordert angesichts zahlreicher Krisen mehr Herzenswärme
Landessynode beschließt Doppelhaushalt – Partnerschaftsvertrag mit Böhmischen Brüdern unterzeichnet – Bistumsvertreterin kritisiert Papst
Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst hat dazu aufgerufen, angesichts zahlreicher Krisen den Winter zu einem „Wärmewinter“ zu machen. Es sei mit Blick auf die Energieversorgung und die Armutsbekämpfung „Herzenswärme“ nötig, die die Not anderer Menschen sehe und zur Hilfe anrege, sagte Wüst vor der Landessynode in einer „Aktuellen Stunde“ zum Thema Energiekrise und ihre Folgen für Kirche und Gesellschaft.
In krisenhafter Zeit dürften die Schwachen in der Gesellschaft nicht vergessen werden, sagte Wüst. Angesichts einer sich immer schneller drehenden Armutsspirale müssten mit aller Kraft Lösungen gesucht werden. Die Landeskirche und ihre Diakonie wenden Wüst zufolge rund 1,2 Millionen Euro aus zusätzlichen Kirchensteuereinnahmen aus der Energiepreis-Pauschale für Menschen auf, die von der Energiekrise existenziell betroffen sind.
Die Synode beschloss den Doppelhaushalt für 2023 und 2024. Der Etat habe ein Volumen von 200 Millionen beziehungsweise 212 Millionen Euro, sagte die Finanzdezernentin Karin Kessel. Größter Posten seien steigende Personalkosten mit 118 Millionen und 121 Millionen Euro. Rund ein Drittel der Gesamtausgaben entfallen auf den Gemeindepfarrdienst. Zum Ausgleich des Haushalts müssen 2023 etwa 1,9 Millionen Euro und 2024 elf Millionen Euro aus den Rücklagen entnommen werden.
Während der Tagung unterzeichneten Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst und Synodalsenior Pavel Pokorný die Partnerschaftsurkunde für die Evangelische Kirche der Pfalz und die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder. Man wolle, so steht es in der Urkunde, zu einer „lernenden und dienenden Gemeinschaft zusammenwachsen“. Mit dem Vertrag ist die Partnerschaft offiziell, die bereits lange besteht. Beide Partner sind „unierte Kirchen“. Die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder ist die größte evangelische Kirche in Tschechien. Sie zählt rund 70000 Mitglieder in 260 Gemeinden. Ihre Geschichte reicht in die Reformationszeit zurück.
Zu Beginn der Synodentagung hatte die Ökumenereferentin des Bistums Speyer, Susanne Laun, Äußerungen von Papst Franziskus und Kurienkardinal Kurt Koch zum Reformprozess Synodaler Weg der deutschen Katholiken kritisiert. Papst Franziskus hatte gesagt, in Deutschland gebe es eine sehr gute evangelische Kirche, da brauche es keine zweite. Dies könne als Absetzbewegung von der Ökumene verstanden werden, sagte Laun. Schwer erträglich sei die Aussage Kochs, der den Synodalen Weg mit der vom Nationalsozialismus durchdrungenen protestantischen Bewegung „Deutsche Christen“ verglichen hat. Trotz dieser Kritik aus Rom mehrten sich die Stimmen, die keine hierarchisch geführte Kirche mehr wollten. Auch der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann stehe voll und ganz hinter der Forderung nach einer synodalen katholischen Kirche. epd
Landessynodale bei Demonstration
Rund 50 Delegierte der Landessynode haben am Samstag vergangener Woche auf dem Domplatz in Speyer bei einer Veranstaltung des „Bündnisses für Demokratie und Zivilcourage Speyer“ gegen Hass und Hetze und für eine demokratische Gesellschaft demonstriert. Die Sitzung der Landessynode wurde dafür unterbrochen. Grund war eine vor dem Dom stattfindende Demonstration der AfD zum Thema Energiekrise mit etwa 200 Teilnehmern.
In Zeiten von Krisen sei ein solidarischer Umgang der Menschen miteinander unerlässlich, erklärte Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler. Es gelte, Haltung zu zeigen gegen Stimmen, die das Vertrauen in die Demokratie erschüttern wollten, sagte sie mit Blick auf die AfD. Der Europaabgeordnete Romeo Franz erklärte, Rassismus und Menschenfeindlichkeit seien Teil des ideologischen Kerns der AfD und damit ein Angriff auf die Werte einer demokratischen Gesellschaft. Letztere seien „nicht verhandelbar“. Die AfD-Bundestagsabgeordnete Nicole Höchst betonte in einer Rede bei der Kundgebung ihrer Partei, Demokratie lebe von widerstreitenden Meinungen. Es könne nicht sein, „dass Zuwanderer in Deutschland das Gleiche bekommen wie Menschen, die hier ein Leben lang gearbeitet haben“.
Die Landeskirche und das Bistum Speyer hatten im Vorfeld die Demonstration der AfD kritisiert und zur Teilnahme an der Gegenveranstaltung aufgerufen. Es sei unerträglich, „wenn im Schatten der Domtürme Stimmen laut werden, die jene Werte eines friedlichen und geeinten Europa mit Füßen treten, für die unser Dom ein unvergleichliches Symbol ist“, hatte Bischof Karl-Heinz Wiesemann in einer gemeinsamen Stellungnahme mit Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst verkündet. epd