von Pfarrerin Marianne Wagner
Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe! Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne in Christus Jesus bewahren.
Philipper 4, 4–7
Freut euch! Der Herr kommt bald! Macht euch keine Sorgen! Lauter Ausrufezeichen stehen hier. Wie wirkt das auf Sie? In diesem Jahr ist die Adventszeit zwar nicht mehr durch die Einschränkungen der Corona-Pandemie überschattet. Aber der Krieg in der Ukraine, die befürchtete Energiekrise und Sorgen um das, was kommt, liegen uns doch sehr auf der Seele.
Die adventliche Vorfreude ist bei vielen getrübt. Ich sehe Müdigkeit und Erschöpfung in den Augen der alten Dame vor mir an der Supermarktkasse. Und die Jugendlichen, die ich kürzlich traf, fragen sich, ob sie in ihrem Treffpunkt im Jugendraum demnächst im Kalten sitzen werden, weil kein Geld mehr da ist für die Heizung. In unserer Kirche wächst die Unsicherheit, weil so viele Menschen uns verlassen, für deren Leben die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche keine Bedeutung mehr hat. Wie sollen wir uns da freuen? Wirken die Worte des Apostels Paulus nicht irgendwie deplatziert?
Unsere Sorgen hatten Paulus und die junge Gemeinde in Philippi wohl nicht. Auch nicht die Sorgen einer Volkskirche im Wandel, einer Kirche, die sich von einer Mehrheit zu einer Minderheit zu entwickeln scheint. Aber hatten sie keine Sorgen? Gewiss nicht.
Paulus schreibt den Brief nach Philippi aus dem Gefängnis, vielleicht aus Ephesus, vielleicht aus Rom. Er war dort ein Gefangener, konnte sich nicht frei bewegen. Die Verfolgung von Christen im Römischen Reich hatte begonnen. Würden die kleinen Pflänzchen, die an vielen Orten gewachsen waren, würden die jungen Gemeinden überleben? Dazu gab es in fast allen Gemeinden jede Menge Konflikte über den richtigen Weg. Auch davon zeugen die Briefe von Paulus.
Trotzdem sagt Paulus: Freut euch! Macht euch keine Sorgen! Er greift damit Worte Jesu auf, der von den Vögeln am Himmel und den Lilien auf dem Feld gesprochen hatte. Die weder säen noch ernten und doch vom himmlischen Vater am Leben gehalten werden. Der Urgrund für die Freude von uns Christinnen und Christen kommt nämlich von außen. So schön das, was wir selber schaffen, was wir leisten und was uns gut gelingt auch ist: Es ist nicht das Wichtigste.
Die Freude eines Christenmenschen hat ihren Grund darin, dass er zu Jesus Christus gehören darf. Jesus, der dafür steht, dass Gott uns ganz nahekommen will in guten und in schlechten Zeiten. Jesus, der sich denen zugewandt hat, die Lasten tragen müssen und krank sind an Körper und Seele. Jesus, der versprochen hat, bei uns zu sein bis an der Welt Ende. Jesus, dessen Weg in die größte aller Krisen führte, ans Kreuz. Jesus, der den Tod hinter sich gelassen und uns den Weg geebnet hat in neues Leben in Gottes ewigem Licht.
Die Verbindung zu Christus zu suchen, zu halten, in uns wirken zu lassen, muss daher unser erstes Bestreben sein. Dazu brauchen wir den Austausch über sein Wort, dazu brauchen wir das Gebet mit- und füreinander, dazu brauchen wir tatkräftigen Einsatz im Zeichen von Liebe und Barmherzigkeit.
Wenn wir uns öffnen, um das Licht Christi in unseren Herzen zu empfangen, dann können wir auch Freude und Zuversicht ausstrahlen. Zu den Menschen, die sich danach sehnen, dass ihnen jemand zuhört, die Trost, Ermutigung und Hoffnung brauchen.
Karl Barth, einer der Väter der Barmer Theologischen Erklärung, sagte einmal „Christen ohne Christus gibt’s nicht“. An ihm hängt unsere Identität. Wo die Kirche meint, ohne Christus gesellschaftlich oder politisch „relevanter“ sein zu können, verrät sie ihn und sich selbst. Ich sehe an manchen Orten eine gewisse „Christusvergessenheit“. Unsere Relevanz und Anschlussfähigkeit an die Gesellschaft sind aber nicht gewachsen, wo wir versucht haben, ohne explizites Reden von Christus Probleme unserer Gesellschaft anzusprechen. Wir werden dadurch eher verwechselbar.
Lassen Sie uns im Zugehen auf das Christfest miteinander aufbrechen, neu entdecken, wo Christus uns heute begegnen will. Lassen Sie uns mit Freude anderen Menschen davon erzählen. Das Evangelium ist eine frohe Botschaft, die seit über 2000 Jahren Menschen immer wieder aufgerichtet hat, Mut gemacht hat, die Herausforderungen der jeweiligen Zeit anzugehen. Miteinander, nicht gegeneinander. Hoffnungsfroh.
Marianne Wagner ist seit 2016 Oberkirchenrätin der Evangelischen Kirche der Pfalz.
Gebet
Jesus Christus, die Begegnung mit dir kann so viel ändern im Leben von uns Menschen. Freude und Hoffnung, Liebe und Trost wollen einziehen in unser Herz. Christus, lenke unseren Blick auf dein Kommen und hilf uns, hoffnungsfroh zu leben und anderen zu dienen. Jesus Christus, komm. Amen.