Auf „Mary Did You Know?“ freut sich Pauline Dengler ganz besonders. In dem weihnachtlichen Gospelsong stellt jemand Maria, der Mutter von Jesus Christus, die Frage, ob sie eigentlich wusste, dass ihr „Baby“ einmal übers Wasser gehen und Kranke heilen könne. „Das ist einfach eine schöne Message“, sagt die 26-jährige Ärztin im Praktikum. Seit einem Jahr lebt sie nach ihrem Studium wieder in ihrem Heimatort Maxdorf. Und auch diesmal ist die begeisterte Sängerin wieder dabei im Chor „Teens United 4 Christmas“.
Vier Songs wollen Pauline Dengler und zwei Dutzend weitere junge Sängerinnen und Sänger an Heiligabend bei gleich zwei Terminen in der evangelischen Kirche in Maxdorf aufführen. Nur zwei Proben und zwei Generalproben sind geplant, dann müssen die Stücke sitzen. „Teens United 4 Christmas“ ist ein Projektchor, den es nur zur Weihnachtszeit gibt: Menschen, die gerne singen, kommen dafür zusammen. Man probt, tritt auf – und geht dann wieder auseinander. Anders als in vielen traditionellen Chören gibt es keine Mitgliedschaft, keine regelmäßige Probenarbeit und auch sonst keine Verpflichtungen.
Auch in den christlichen Kirchen hat in den vergangenen Jahren die Zahl von anlassbezogenen Chorprojekten etwa zu Weihnachten zugenommen, hat Christian Finke beobachtet. Der Präsident des Chorverbands in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) aus Berlin sieht in den Projektchören für die rund 20000 evangelischen Kirchenchöre mit ihren rund 500000 Sängerinnen und Sängern keine Konkurrenz zu den traditionellen Kirchenchören, sondern eine Chance. Jochen Steuerwald, der Landeskirchenmusikdirektor der pfälzischen Landeskirche, begrüßt „projektweises Singen“ in der Kirche ebenfalls. Erfreulicherweise blieben doch manche Teilnehmende in den Kirchenchören „hängen“, sagt er.
Jan Hoffmann fiebert schon den beiden Gottesdiensten entgegen, die er mit „Teens United 4 Christmas“ in Maxdorf mitgestaltet. „Zusammen singen und Leute treffen, die man das ganze Jahr über nicht gesehen hat – das macht Weihnachten aus“, sagt der 26-jährige Rechtspfleger. Wie seine Mitsängerin Pauline Dengler engagiert er sich in der Kirchengemeinde, war schon im früheren Jugend-Gospelchor und dem großen Chor „Gospel Maxx“ dabei. Doch viele junge Leute seien zum Studium oder wegen des Jobs weggezogen, erzählt Chorleiterin Sue Fröhlich. Wenigstens einmal im Jahr zu Weihnachten versuche man deshalb, sie zusammenzubringen.
Während seiner Ausbildung habe er leider keine Zeit und Muße mehr für regelmäßige Chorproben gehabt, sagt Jan Hoffmann. Fest in einem Kirchenchor mitmachen will er nicht, aber vielleicht hin und wieder bei Bandbegleitung in Gottesdiensten singen. „Das Mitsingen im Projektchor hat mich selbstbewusster gemacht“, sagt er.
Auch der Pirmasenser Berufsmusiker Patric Schwab ist immer wieder gerne zur Stelle, um im weihnachtlichen Projektchor seiner evangelischen Kirchengemeinde auszuhelfen. Zum Christfest – und manchmal zu Ostern und zu Konfirmationsfeiern – wird dort der Chor mit dem treffenden Namen „AdHoc“ aktiv. „Ein Chor gehört an Weihnachten einfach dazu“, sagt der 45-Jährige, der auch Presbyter ist.
Die Pirmasenser Pfarrerin Janina Tamm ist begeistert von der Leistung des Projektchors. „Ich mache die Erfahrung, dass für solche Projekte die Menschen leichter zu gewinnen sind, als für einen ,normalen’ Chor“, sagt sie. Gerade für Personen, die berufstätig seien oder die kleine Kinder haben, sei ein Chor wie „AdHoc“ eine prima Sache. Und die Gottesdienstbesucherinnen und -besucher freuten sich nach zwei tristen Corona-Wintern schon jetzt auf die Darbietung, sagt die Pfarrerin.
Auch im westpfälzischen Otterbach seien die Menschen dankbar, dass es nach der Auflösung des Kirchenchors wenigstens einen Projektchor für Heiligabend und die Osternacht gebe, informiert Bezirkskantor Markus Henz als Leiter. Dabei stehe der Spaß am Singen nicht zu schwieriger Stücke im Vordergrund, so Henz. „Manche Mitwirkende sagen sich: In die Christmette gehe ich sowieso, da kann ich auch mitsingen.“ Alexander Lang
Auf der Höhe der Zeit
Chorverbands-Präsident: Projektchöre dienen dem Gemeindeaufbau
Der Präsident des Chorverbands in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christian Finke, sieht in zeitlich befristeten Projektchören eine Chance für die regelmäßige, kirchliche Chorarbeit. Das Mitwirken in anlassbezogenen Chorprojekten mache den Sängerinnen und Sängerinnen nicht nur Spaß. Gerade auch das weihnachtliche Singen könne manchen „Gast“ dazu motivieren, sich in einem Kirchenchor zu engagieren und diene dadurch dem Gemeindeaufbau.
Die Projektchöre ergänzten Kirchenchöre, sagte Finke, der selbst einen solchen Chor leitet, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Kirchenchöre reagierten mit den zusätzlichen Angeboten auf das sich ändernde Freizeitverhalten und das knappe Zeitbudget vieler, besonders jüngerer Menschen. Damit zeigten sie sich „auf der Höhe der Zeit“, so Christian Finke.
Das musikalische Qualitätsniveau der einzelnen Projektchöre sei dann gewährleistet, wenn Chorleiter für die Teilnehmenden die für sie jeweils passende Chorliteratur auswählten, sagte der Kirchenmusiker, der auch Kantor der Dreifaltigkeitsgemeinde Berlin-Lankwitz ist. Allerdings dürfe sich die Chormusik in der Kirche nicht hin zu einer reinen Eventkultur entwickeln. Für die Pflege des künftigen Chornachwuchses müsse außerdem schon in den Kindertagesstätten vermittelt werden, „dass Singen etwas Schönes ist“, sagte Finke. epd