Mehr und mehr macht sich ein krawalliger Ton in der öffentlichen Diskussion breit. Der ist gut, um Aufmerksamkeit zu erregen. Aber schlecht, um einer Gesellschaft als Vorbild zu dienen, wie sie sinnvoll mit Problemen umgeht. In Politik und Talkshows ist das AufeinanderEinhauen schon lange zu beklagen. Nun aber zeigt sich die Verrohung des Umgangstons auch in gehobenen Leitmedien und intellektuellen Zirkeln – auch im kirchlichen Umfeld. Das ist schon putzig; gerade hier hatte man sich regelmäßig darüber mokiert, wie unterirdisch die Diskussionsmanieren in den sozialen Medien à la Facebook und Co. seien. Dort gehören verbale Ausfälle und Attacken gegen die Person schon lange zur Tagesordnung.
Aber diese Unsitte scheint ansteckend zu sein. In Leitartikeln und Leserbriefen, Ortsbestimmungen und Online-Diskussionen auch der anspruchsvolleren Zeitungen und Magazine – nochmals betont: auch in kirchlichen Kreisen, wie in den Diskussionsbeiträgen auf zeitzeichen.net – finden sich immer mehr Zügellosigkeiten. Von „Spacken“ ist die Rede. Der christliche Glaube wird einander abgesprochen. Ein Professor bescheinigt dem anderen, dass der sowieso keine Ahnung habe. Und wer sich zurzeit noch immer gegen Waffenlieferungen und Aufrüstung ausspreche, der habe den Schuss doch nicht gehört.
Vielleicht kann man die Krawalligkeit sogar nachvollziehen. Zweieinhalb Jahre Covid-Ausnahmezustand haben Spuren hinterlassen. Die Reaktionen auf die Pandemie haben eine Unversöhnlichkeit entstehen lassen, an der Freundschaften und Familien zerbrachen. Dazu stürzt Putins Überfall auf die Ukraine Menschen auch hierzulande in Gewissensnot und Angst. Immer geht es letztlich um Tod und Leben. Das kann an den Nerven zerren.
Doch es hilft nichts. Wer herumpoltert, mag Druck ablassen. Aber: Am Ende erreicht man genau das Gegenteil von dem, was notwendig wäre. Um Auseinandersetzungen mit Mitmenschen zu lösen, wäre es sinnvoll, Türen zu öffnen oder offen zu halten; wenigstens einen winzigen Spalt. Stattdessen laufen Randalierende Gefahr, auch die letzte Tür zuzuschlagen.
Man kann das mit dem Kabarett-Effekt vergleichen. Es ist befreiend, wenn losgelöst von üblichen Verhaltensregeln alles durch den Kakao gezogen werden darf: Politik und Alltag, Promis und Nachbarn, Glaube und Leben; Krieg und Frieden. Herrlich! Wenn man denn von vornherein auf der Seite des Vortragenden steht. Alle anderen aber erreicht der süffisante Ton nicht. Im Gegenteil; er wird als weitere Provokation wahrgenommen. Und die Gräben vertiefen sich.
Gerade in kirchlichen Diskussionen ist so ein Verhalten absurd. Man diskutiert über Krieg und Frieden, will herausfinden, wie man sein Christsein in Krisen angemessen leben kann – und haut aufeinander ein. Es müsste, bei aller Anspannung, darum gehen, Brücken zu bauen, statt sie abzureißen.